Mein Sommer „off the grid“, Teil 2: Die Rohkost-Bio-Farm

Trepp auf, trepp abNach dem „Nowhere-Festival“ brauchte ich erstmal Ruhe. Die bekam ich bei Tricia auf ihrer Bio-Farm. Triciaa ist Britin und hat vor ein paar Jahren ein Stück Land bei Coin, unweit von Malaga, gekauft. Das Grundstück liegt am Hang und endet am Fluss im Tal. Fließendes Wasser ist ein wichtiger Aspekt, wenn man Land kauft, das bestellt werden muss. Tricia hat ein paar Obst- und Nuss-Bäume so wie einen Gemüsegarten. Gerade im Sommer ist regelmäßiges Gießen wichtig. In ihrem Fall kommt die Wasserversorgung aus dem Fluss. Von dort wird Wasser ins höher gelegene Gelände in eine Station gepumpt. Dann wird es an die verschiedenen Nachbarn verteilt. Es gibt einen genauen Zeitplan, wann welches Grundstück Wasser bekommt.


Wasser ist kostbar


Ich besuchte Tricia Mitte Juli, zu einer der heißesten und trockensten Jahreszeiten. Der Fluss führte nur noch wenig Wasser. Er war an manchen Stellen gerade tief genug, um sich hineinzulegen und damit zu erfrischen. Für mich war der Fluß nicht nur Erfrischung, sondern auch meine Dusche. Denn Leitungswasser gibt es bei Tricia nicht. Sie lebt komplett „off the grid“. Kein Wasser, kein Strom und kein Kühlschrank.

Fließendes Wasser auf dem Grundstück ist lebensnotwendig


Das Flusswasser wird für die Bewässerung benutzt, aber nicht als Trinkwasser. Da das Grundstück nicht an der Quelle des Flusses liegt, kennt man den Verschmutzungsgrad des Wassers nicht. Wenn also die Obstbauern an den Grundstücken vor Trischas Wasserlauf das Wasser z.B. mit Schmutzwasser oder Pestiziden verunreinigen, ist es nicht mehr sauber. Das ist auch schon das erste Problem von biologischem Anbau. Auch wenn man alle Regeln befolgt und selber nur biologisch vertretbare Produkte verwendet, kann der Nachbar alles zu nichte machen. In ihrem Fall ist es ein Orangen-Bauer, der seine Bäume mit Pestiziden bespritzt. Das ist sehr schade aber leider nicht zu ändern. Sie hat bereits versucht, mit ihm zu reden und ihn zum Umdenken zu bewegen. Er bleibt aber bei dem für sich alt Bewährtem.

Soweit zum rein biologischen Anbau.

Wer also ganz sicher gehen möchte, weicht das Obst und Gemüse vor dem Verzehr ein. Essig und Natron sind hier die Mittel der Wahl. Sie können die Pestizide durch Einweichen entfernen. Ich habe das mit dem Einweichen nicht immer ganz genau genommen.

Maulbeeren

Maulbeeren

Zu meiner Zeit trug der Maulbeerbaum Früchte. Ich liebe diese Frucht. Kann mich auch nicht erinnern, sie schon mal vorher gegessen zu haben. Vielleicht liegt das an der Ernteform. Es ist fast unmöglich, die Beeren vom Baum zu rupfen, ohne danach komplett mit lila Farbe überzogen zu sein. Meine Hände sahen immer so aus, als ob ich einen Maulbeerbaum „geschlachtet“ hätte. All das hat mich nicht davon abgehalten, weiterhin jeden Morgen direkt vom Baum zu naschen.

So stelle ich mir das Paradies vor, die Früchte direkt vom Baum zu essen


Tricias Ernährungsphilosphie ist Roh-Vegan. Das ist für mich natürlich besonders interessant. Ich lebe bereits seit Jahren von einer pflanzenbasierten Nahrung. Aus gesundheitlichen Gründen interessiere ich mich dafür, wie ich meine Ernährung immer weiter optimieren kann. Gerade durch die ayurvedische Ernährungs- und Typenlehre, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es nicht eine allgemein gültige Ernährung für alle Menschen gibt. So ist für meinen Ayurveda-Typ keine reine Rohkost empfohlen. Trotzdem wollte ich es für ein paar Tage ausprobieren. Da wir Hochsommer hatten, fiel mir das auch leicht. Dazu kam noch, dass bei mir kurz vorher eine Weizenunverträglichkeit festgestellt wurde. Adieu, mein geliebtes deutsches Vollkornbrot, Vollkornnudeln und Backen mit Dinkel, Weizen und Roggen. Auch Gerste soll ich vermeiden. Diese ist vor allem in Bier enthalten. Das ist allerdings nicht so schlimm. Ich war noch nie ein großer Biertrinker. Nur Kölsch, mein heimisches Bier aus Köln, habe ich immer zum Karneval getrunken. Jetzt weiß ich auch, warum es mir danach immer so schlecht ging…
Mittlerweile trinke ich Alkohol nur noch ganz selten. Es bekommt mir einfach nicht mehr. Oder hat es das noch nie?


Wenn es eine Menge an Alkohol gibt, die ein Mensch trinken kann, dann habe ich mein Soll bereits erreicht


IMG_20180716_143534So kam mir „Roh-Vegan“ gerade recht. Diese Ernährungsform enthält bei Tricia überhaupt kein Getreide. Wir ernährten uns von Obst, Gemüse, Nüssen und gesprießten Hülsenfrüchten. Ich lernte die leckersten Rezepte aus diesen Zutaten. Mein absoluter Favorit daraus ist ein Gemüsecurry und ein Karottenkuchen. Beide Gerichte habe ich mit meinen eigenen Händen Arbeit hergestellt. Ich habe nur mechanische Küchenhelfer benutzt. Trischa benutzt Solarstrom. Dazu hat sie Solar-Paletten auf ihrem Dach und Speicherbatterien im Haus. Damit kann man allerdings nur eingeschränkt elektronische Geräte benutzen. So eine Hochleistungs-Küchen-Maschine, ebenso wie Föhns und Wasserkocher, die fressen zu viel Strom.
Aber für einen Wifi-Router reicht es. Wieder mal Internetempfang im „Niemandsland“. Auch mein Telefon-Internet-Empfang war hervorragend.


Also doch nicht ganz abgeschnitten von der Zivilisation.


Die nächsten Nachbarn sind zwar nicht weit weg, man sieht oder hört sie in der Regel aber nicht. Die direkten Grundstücksnachbarn sind Obstbauern. Sie bestellen tagsüber ihr Land und fahren abends nach Hause. Wenn sie da sind, hört man natürlich Autos, landwirtschaftliche Maschinen und auch mal ein Radio. Nachts ist es angenehm ruhig. Nicht mal die Hunde bellen. Für mich genau das, wonach ich mich gesehnt hatte. Absolute Stille, um tief zu schlafen.


Wasser


Morgens stand ich mit dem Sonnenaufgang auf. Diese Zeit nutzte ich für mich und machte mir erstmal einen Tee. Dafür erhitzte ich gefiltertes Quellwasser auf dem Gasherd. Dieser wird mit einer Gas-Kartusche betrieben. Das Quellwasser holt Triciaa regelmäßig aus den Brunnen der nächst gelegenden Stätte. Das ist typisch für Spanien. Das Quell-Wasser in den Dörfern ist trinkbar. Wenn es das nicht ist, gibt es ein Schild, dass „non potable“, nicht trinkbar, sagt. Trischa hat einen professionellen Wasserfilter aus dem ich meine Trinkwasser-Flasche abfüllte. Für alles andere wird ungefiltertes Quellwasser verwendet.
Gespült wird ähnlich wie beim Nowhere-Festival. Diesmal allerdings nur in zwei Schritten: Abspülen und durch klares Wasser ziehen. Das benutze Wasser wird dann für verschiedene Pflanzen zum Gießen verwendet. Es versteht sich wohl von selbst, dass Trischa nur biologisch abbaubares Spülmittel verwendet.
Für die Dusche benutzt Trischa eine Camping-Variante. Es ist eine Art Camel-Bag, eine feste Plastiktasche. Diese wird mit Wasser gefüllt und über dem Kopf aufgehängt. Am Auslauf befindet sich ein Mini-Duschkopf.  Das funktioniert gut, um den Körper abzubrausen. Um die Haare zu waschen, empfehle ich die Wasser-Eimer-Über-Kopf Variante. Im Winter wird das Wasser auf dem Gasherd aufgewärmt. Ich habe mich für die Fluss-Wanne entschieden. Einfach im Fluss gebadet, bis ich mich sauber fühlte, das auch gerne mehrmals am Tag. Mitten im Sommer ist das eine angenehme Abkühlung.


Die Kompost-Toilette


Beim Thema Toilette mag es für den oder anderen vielleicht etwas anrüchig werden. Nur für das große Geschäft ist eine Kompost-Toilette vorhanden. Man sitzt auf einer Toiletten-Brille, die in ein großes Brett eingelassen ist. Darunter befindet sich in einer Tiefe, von mindestens einem Meter, die Grube. Nach der Verrichtung des Geschäftes nimmt eine Schaufel mit Sand oder getrocknetem Laub und deckt es ab. Ich bin immer wieder erstaunt, dass kein schlechter Geruch entsteht. Im Grunde riecht es gar nicht. Das kann allerdings auch an meiner Ernährung liegen.
Flüssigkeiten sollten nicht in die Gruppe. Man wird angewiesen, überall Pipi zu machen, wo es nur geht. Das Land ist sehr trocken und nur die Obst- und Nuss-Bäume werden bewässert. Ich kenne diese Art des „Zurückgebens an die Natur“ schon aus einem Yoga-Retreat. Deshalb war es mir nicht fremd. Allerdings hatten die einen sichtgeschützen Ort dafür. Hier steht einem ein großes, weites Land zur Verfügung. Da es ja, wie gesagt, keine direkten Nachbarn gibt, ist es nicht ganz so dramatisch. Bei maximal drei Personen, die zur selben Zeit auf der Farm leben, findet man sein Plätzchen. Personen, die gut in der Kniebeuge sitzen können, haben hierbei einen Vorteil. Wer, wie ich, bereits in Indien herum gereist ist, kennt diese Toiletten in denen der Kniebeugen-Sitz gefragt ist. Einige kennen ihn aus Frankreich.


Volontäre über WorkAway.com


Die Kompost-Toilette haben Volontäre gebaut. So schafft es Tricia, auch das Land zu bestellen. Sie bietet ein Austausch-Programm für Helfer an. Auf WorkAway bietet sie 1-2 Volontären einen Schlafplatz und Verpflegung. Die Volontäre müssen keine veganen Rohköstler sein, aber vegan. Die Benutzung der „Hippie-Küche“ ist für jeden offen. Dazu gibt es auch ein „Bad“, in diesem befindet sich die Camping-Dusche und ein Waschbecken: Ein Krug und eine Schale. Auch hier wird das Altwasser in die Natur geschüttet.


Die Hippie-Küche


Die Freilichtküche wird vor allem im Sommer benutzt und ist einer meiner Lieblingsorte. Es erinnert mich ein wenig daran, wie wir als Kinder Häuser im Wald gebaut haben. Natürlich ist Tricias Küche professionell ausgestattet. Trotzdem erinnert sie mich ein wenig an Pipi Langstrumpf. Alles sieht ein wenig „Hippie“ aus. Kein Wunder, so bewohnte das Land vorher ja auch eine vegane Lebensgemeinschaft. Ein wenig Infrastruktur war also schon vorhanden, bevor Trischa das Grundstück gekauft hat.

Die Bewirtschaftung
Gemüsebeet

Gemüsebeet

Alleine ist es kaum möglich, das Land zu bestellen. So arbeiten die Volontäre hauptsächlich im Garten. Vier Stunden im Sommer und fünf Stunden im Winter. Das ist der Austausch gegen Bett und Verpflegung. Ich habe Tricia beim Mulchen geholfen. Das ist eine ökologische Art Obstbäume optimal mit Wasser zu versorgen und vor Unkraut zu schützen. Für mich war das eine spannende Herausforderung, mehr aber auch nicht. Mit Pflanzen habe ich es nicht so. Bei mir zu Hause gilt „survival of the fittest“. Wer stark genug ist, überlebt. Und dafür sehen die Pflanzen bei mir auf der Terrasse gar nicht mal so schlecht aus.

Eine sehr gute Erfahrung

Lebensmittel Aufbewahrung

Lebensmittel Aufbewahrung

Ich habe viele gute Gespräche mit Tricia geführt. Ich habe sie ja auch als eine „Bekannte“ und nicht als „Volontärin“ besucht. Ich bin auch nur sechs Tage dagewesen. Volontäre bleiben zwei bis sechs Wochen. Solange braucht es bestimmt auch, bis man sich an das Leben dort gewöhnt hat. Für mich war es eine willkommene Abwechslung und ich habe viel gelernt. Vor allem, wie man Lebensmittel ohne Kühlschrank konserviert. Wenn wir Essensreste übrig hatten wurden sie luftdicht abgeschlossen in eine Schüssel mit Wasser gestellt. Am nächsten Tag sollte man die Reste dann trotzdem essen. Der Salat wird in einem Tonkrug aufbewahrt. Geschlossen wird das ganze mit einem Teller, einem nassen Tuch und wieder einem Teller, der mir einem Stein beschwert wird. Alle anderen Lebensmittel sind in einem selbstgebauten „open air“ Schrank aufbewahrt. Der hat Gitter an den Türen, damit keine Tiere hineinkommen. Und auch für die Abschreckung der Ameisen gibt es ein biologisch-vertretbares Mittel. So ist die Lebensmittel-Aufbewahrung im Freien kein Problem.

Die vegane-Rohkost hat mir sehr gut getan. Ich fühlte mich leicht und energiegeladen. Ich habe ein paar Rezepte mitgenommen. Diese werde ich in meinen Alltag integrieren. Vor allem mittags und im Sommer kann ich sehr gut roh essen. Doch im Winter mag ich warmes Essen. Da ich mich ja schon eine Zeitlang mit Ayurveda beschäftige, kenne ich mittlerweile auch meinen Typ. Wie oben bereits erwähnt, ist dieser per se kein Rohköstler. Am Ende merkt ja jeder selber, mit welchem Essen er sich am besten fühlt.


Die paar Tage auf dem Land haben mir sehr gut getan. Ich habe ausgeschlafen und auch jeden Tag eine ausgiebige „Siesta“ gemacht. Dieses Nachmittagsschläfchen ist gerade bei der Hitze sehr ratsam. Vor allem im Schatten.

Leben auf dem Land

Leben auf dem Land

Ich weiß für mich, dass ich zwar gerne auf dem Land leben, aber kein Land bestellen möchte. Ein Häuschen mit ein wenig Grün drum herum, das reicht schon. Es sollte nicht so groß sein, dass ich mich nicht alleine drum kümmern kann. Es sollte mich auch nicht jeden Tag fordern oder Volontäre erfordern. Auch hätte ich gerne Wasser. Ein Anschluss an die Wasserversorgung ist ein Luxus, den ich nicht unbedingt missen möchte. Ich würde damit ja sparsam umgehen. Das tue ich jetzt schon.
Strom aus Solarpanelen kann ich mir gut vorstellen. Denn es ist durchaus möglich, damit auch einen Kühlschrank zu haben, wenn man möchte. Das habe ich auf dem dritten Teil meiner Reise gelernt. „Hidden Paradise“ hat „off the grid“ für mich perfektioniert. Ein komplettes Retreat, abgeschnitten von Strom und Wasser. Wobei dieser Ort frisches Quellwasser zur Verfügung hat. Das ist ein unglaubliches Glück. Dazu mehr im nächsten Blog.

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